Freitag, 26. Dezember 2008

Kernwaffen und Zukunft

Es gibt immer noch Tausende von Kernwaffen

Es gibt jetzt ungefähr 25 000 Kernsprengköpfe auf der Erde, die meisten von ihnen sind im Besitz Russlands und der USA. Um eine Vorstellung von ihrem Gefahrenpotential zu gewinnen, sollte man sich das schlimmste Szenario vorstellen, auch wenn es äußerst unwahrscheinliche ist: Würden alle vorhandenen Kernwaffen eingesetzt, so könnten alle größeren Städte zerstört und den Rest der Erde könnte durch Strahlungen, nuklearen Niederschlag und Klimaveränderungen so geschädigt werden, dass der Fortbestand jeder Zivilisation und sogar das Überleben der menschlichen Species zweifelhaft wäre. Jede einzelne dieser Waffen könnte eine mittelgroße Stadt zerstören und ihr Gebiet für einige Zeit unbewohnbar machen.

Und doch ist die Furcht vor diesen Waffen, jedenfalls in Europa, geschwunden. Tatsächlich hat sich die Lage für uns nach dem Ende des Kalten Krieges sehr verbessert. Schon unter Gorbatschow hatte die Sowjetunion aufgehört, eine Bedrohung zu sein. Die mittel- und osteuropäischen Staaten gewannen ihre Freiheit, die DDR konnte sich mit der Bundesrepublik vereinigen. Schließlich zerfiel die Sowjetunion. Ihr Kernland – Russland – erbte zwar ihre Kernwaffen und ihren Großmachstatus, hatte aber viele Jahre mit schweren inneren Problemen zu kämpfen und zeigte lange Zeit keine Neigung, den verlorenen Machtbereich wiederzugewinnen, wenn es auch den Raum der früheren Sowjetunion als Einflußzone behalten will. Die Gefahr, unter der vor allem Deutschland jahrzehntelang gelebt hat, ist fast vergessen Unser Überleben hing davon ab, dass die Abschreckung wirksam war und blieb. Diesem Ziel sollten auch die Mittelstreckenwaffen dienen, die ab 1984 in Deutschland und einigen anderen NATO-Staaten stationiert wurden, bis es 1988 gelang, sich auf die Abschaffung aller amerikanischen und sowjetischen Mittelstreckenwaffen zu einigen.

Die mit Kernwaffen verbundenen Gefahren sind nicht verschwunden, sie haben sich nur geändert. Zwar wurde die Zahl der nuklearen Sprengköpfe, verglichen mit dem Höhepunkt des Kalten Krieges, auf etwa ein Drittel vermindert. Aber die Zahl der Staaten, die sie besitzen, hat sich vermehrt und droht weiter zu wachsen. Das bedeutet, dass auch die Zahl der Konflikte gewachsen ist, in denen sie eingesetzt werden könnten. Gleichzeitig hat sich die Gefahr eines irrtümlichen Einsatzes erhöht. Vor allem aber ist die Gefahr gewachsen, dass Kernwaffen in die Hände gewaltbereiter nichtstaatlicher Gruppen fallen könnten. Ihnen gegenüber ist die Abschreckung nicht wirksam. Sie bieten kein Ziel für die Vergeltung. Auch lassen sich Menschen nicht abschrecken, die bereit sind, Terrorakte unter Opferung ihres eigenen Lebens auszuführen.

Vier weise und erfahrene Amerikaner haben nun dazu aufgerufen, auf eine Welt ohne Kernwaffen hinzuarbeiten. Im Januar haben vier prominente und kenntnisreiche Deutsche, Helmut Schmidt, Richard von Weizsäcker, Egon Bahr und Hans-Dietrich Genscher diesen Aufruf unterstützt. Am 8. Dezember 2008 wurde in Paris die Initiative „Global Zero“ bekannt gegeben.

Die große Idee einer Welt ohne Kernwaffen hat in Deutschland bisher zu wenig Aufmerksamkeit und Unterstützung in der Öffentlichkeit gefunden. Um sie würdigen zu können, müssen wir uns an die bisherige Entwicklung erinnern und den Wendepunkt ins Auge fassen, an dem wir jetzt stehen.

Die gefährlichsten Waffen, die es gibt

Kernwaffen sind auch heute, mehr als sechzig Jahre nach ihrem ersten – und bisher einzigen – Einsatz, noch die gefährlichsten Waffen, die es gibt. Die Sprengkraft der Bombe, die über Hiroshima abgeworfen wurde, entsprach der Kraft von 15 000 t konventionellen Sprengstoffs. Wenige Monate vorher, am 14. Februar 1945, waren auf Dresden 1472 t Spreng- und 1202 t Brandbomben abgeworfen worden. Das Zentrum der Stadt war zerstört, 35 000 Menschen waren getötet worden. Für die Zerstörung Hiroshimas aber genügte eine einzige Atombombe, die Zahl der Opfer betrug – wenn man die Menschen einbezieht, die später durch Strahlenkrankheit starben – mindestens 180 000.

Eine in den folgenden Jahren entwickelte neue Art von Kernwaffen, die Wasserstoffbomben, besitzt eine Sprengkraft, die tausendfach größer ist. Eine einzige Bombe dieser Art könnte Riesenstädte wie New York, Moskau oder Peking, vernichten. Bei allen Kernwaffen kommt die Strahlenwirkung hinzu: Sie kann Menschen entweder sofort töten oder eine Strahlenkrankheit hervorrufen, die ebenfalls zu einem qualvollen Tod führen kann. Bei noch mehr Menschen ist die Schädigung des Erbgutes zu erwarten.

Einige der Gefahren von Nuklearwaffen für die Atmosphäre sind seit langem bekannt, andere werden jetzt erforscht. Würden Kernwaffen in größerer Zahl in Erdnähe eingesetzt, so würde Erdreich in solcher Menge in die Atmosphäre geschleudert, dass die Sonneneinstrahlung auf große Teile der Erdoberfläche monatelang verhindert würde. Dort würden winterliche Temperaturen herrschen, das Pflanzenwachstum würde unterbrochen werden. Würden Kernwaffen dagegen in größerer Höhe gezündet, so könnte die empfindliche Ozonschicht beschädigt werden. Wird sie ganz oder teilweise zerstört, so drohen Gesundheitsschäden durch die ultravioletten Strahlen, die von ihr ausgefiltert werden.

Das Gleichgewicht des Schreckens

Es ist bemerkenswert, dass nach Hiroshima und Nagasaki keine Kernwaffen mehr eingesetzt wurden. Der Grund dafür ist die Scheu vor den schrecklichen Wirkungen dieser Waffen und die Furcht, dass sich aus jedem Einsatz ein mit Kernwaffen geführter Krieg entwickeln könnte. Ronald Reagan prägte dafür den Satz: Ein Nuklearkrieg kann nicht gewonnen und darf niemals geführt werden. Von diese4m Grundsatz ging auch die Strategie der Abschreckung aus, die wesentlich dazu beigetragen haben dürfte, Kriege zwischen den beiden Supermächten zu verhindern. Aber sie beruht auf einem Dilemma: Beide Mächte drohen mit einer Vergeltung, die nicht nur zu ihrer eigenen Vernichtung, sondern auch zur Tötung von Unbeteiligten und Umweltschäden führen konnte. Ist dies zu rechtfertigen? Es gibt viele Bedenken dagegen.

Gebremste Verbreitung

Die USA, wo die ersten Kernwaffen entwickelt wurden, und die Sowjetunion, die bald folgte, blieben nicht die einzigen Kernwaffenbesitzer. Großbritannien, Frankreich und China kamen dazu. Für die beiden europäischen Staaten war die Erhaltung ihres Status nach dem Verlust der Kolonialreiche das entscheidende Motiv. Für ihre Sicherheit war allerdings die Beistandsverpflichtung der USA nach dem Nordatlantik-Vertrag viel wichtiger. China dagegen wollte sich dem Anspruch der Sowjetunion entziehen, die Führungsmacht des „sozialistischen Lagers“ zu sein und wollte deshalb in der Lage sein, seine Sicherheit selbst zu schützen – auch gegen die Sowjetunion.

Viele Staaten, auch unter den Nichtbesitzern, betrachteten eine noch weitere Verbreitung der Kernwaffen als gefährlich. 1967 wurde deshalb der Nichtverbreitungsvertrag geschlossen, der die genannte fünf Staaten als Kernwaffenstaaten anerkannte. Sie verpflichteten sich, in redlicher Absicht Verhandlungen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens und zur nuklearen Abrüstung zu führen. Die friedlich Nutzung der Kernenergie wird auch den Nichtbesitzern nicht verwehrt. Sie haben jedoch Sicherungsmaßnahmen hinzunehmen, die dazu dienen, zivile und militärische Nutzung zu unterscheiden.

Mehrere Staaten lehnten den Vertrag ab: Indien war der Hauptkritiker: Dies sei ein ungleicher und ungerechter Vertrag. Wie zu erwarten, schloss sich Pakistan dieser Haltung an. Auch Israel blieb dem Vertrag fern und entwickelte – ohne sich öffentlich dazu zu bekennen – eigene Kernwaffen, die offensichtlich der Abschreckung seiner numerisch überlegenen Nachbarn dienen sollten. Trotzdem griffen Ägypten und Syrien 1973 an. Israel wehrte den Angriff mit ausschließlich konventionellen Kräften ab. Während Indien unter den von der Kongress-Partei geführten Regierungen – abgesehen von einer als friedlich bezeichneten Kernexplosion 1974 – sich nach außen darauf beschränkte, die Kernwaffen-Staaten zur Abrüstung aufzufordern, entschied eine von der hindu-nationalistischen Partei BJP geführte Regierung, öffentlich den Schritt zu eigenen Kernwaffen zu tun: 1998 wurden die Waffen erfolgreich erprobt. Pakistan folgte sofort nach dem schon bekannten Muster. Es hatte schon unter der Leitung von Abdul Qadir Khan die Entwicklung eigener Kernwaffen von langer Hand vorbereitet. Qadir Khan hatte – angeblich ohne Kenntnis seiner Regierung – technisches Wissen und Material an mehrere Länder weitergegeben. Wie viel davon an Organisationen außerhalb der Regierungen gelangt ist, bleibt eine offene Frage.

Indien und Pakistan haben seit ihrer Trennung mehrere Kriege gegeneinander geführt. Der Kaschmir-Konflikt bleibt ungelöst. Nach dem Terror-Anschlag in Mumbai hat Indien ziemlich unverhüllt mit militärischen Maßnahmen gegen Pakistan gedroht. Unklar ist, wie im Verhältnis zwischen zwei Staaten, die so eng benachbart sind und über Raketen verfügen, die Abschreckung mit Kernwaffen funktionieren soll. Gibt es nicht die Versuchung, im Fall einer Krise die Kernwaffen als erster einzusetzen, bevor sie der Gegner vernichten kann (use them or lose them)? Für das Krisenmanagement steht sehr wenig Zeit zur Verfügung. Im Falle eines Raketenabschusses aus Versehen oder bei Missdeutung eines Raketen-Abschusses ist eine rechtzeitige Warnung (wie sie im Verhältnis zwischen USA und Sowjetunion praktiziert wurde) kaum möglich. Würde im Falle eines Krieges die Seite, die zu verlieren droht, doch zu Kernwaffen greifen? Auch dies sind offene Fragen.

Irak wurde nach dem Krieg von 1991 gezwungen, sein Kernwaffen-Programm einzustellen und sich genauen Inspektionen zu unterwerfen. Die Intervention von 2003 wurde mit dem Verdacht begründet, Irak habe sich trotzdem Kernwaffen verschafft. Dafür wurden aber nach der Intervention keine Anhaltspunkte gefunden. Die Inspektionen waren wirksamer gewesen, als die USA hatten glauben wollen.

Iran, das in früheren Jahren ebenfalls an der Entwicklung von Kernwaffen gearbeitet zu haben scheint, steht nun im Verdacht, die Anreicherung von Uran, die es derzeit betreibt, zur Gewinnung von nuklearfähigem Material nutzen zu wollen. Durch Sanktionen soll es gezwungen werden, sich einer strengeren Überwachung zu unterwerfen. Darüber wird verhandelt. Sollte es Iran tatsächlich gelingen, Kernwaffen zu erwerben, so ist zu befürchten, dass andere Staaten der Region – sei es zu ihrer Sicherheit, sei es aus Prestige-Gründen – versuchen würden, den gleichen Weg zu beschreiten. Einige mögen schon begonnen haben, sich darauf vorzubereiten. Die Lage in Nah- und Mittelost, einer von Konflikten durchzogenen Region, könnte dadurch noch instabiler, ja explosiv werden.

In Ostasien, wo China lange Zeit die einzige Atommacht war, hat Nordkorea 2003 seinen Austritt aus dem Nichtverbreitungs-Vertag erklärt und 2004 eine Kernexplosion unternommen. Zusagen, die es in Verhandlungen gemacht hatte, wurden oft nicht eingehalten. Würden die Verhandlungen scheitern, so müsste man damit rechnen, dass andere Staaten der Region ebenfalls Kernwaffen erwerben würden. Südkorea, Japan und Taiwan könnten dies theoretisch in wenigen Monaten erreichen. China aber würde sein Möglichstes tun, um dies zu verhindern.

Die Dynamik der technischen Entwicklung

Kernwaffen sind, wie wir gesehen haben, zu Instrumenten der Abschreckung geworden. Aber sie könnten auch für andere Zwecke verwendet werden. In den USA wurde überlegt, Kernwaffen zu entwickeln, die unter der Erdoberfläche wirken und z. B. Waffen vernichten oder Höhlen zerstören könnten, in denen Terroristen Zuflucht gesucht habe. Der Kongress hat sich bisher geweigert, Mittel für die Entwicklung solcher Waffen zu bewilligen.

Aber seit der Amtszeit von Präsident Reagan werden Jahr für Jahr Milliarden von Dollars für die Entwicklung von Raketenabwehr-Systemen ausgegeben. Reagan hatte ein solches Programm (Strategic Defence Initiative) 1984 in Gang gebracht. Er hatte gehofft, eine zuverlässige Abwehr von Raketen würde es möglich machen, auf die Drohung mit einem Gegenschlag zu verzichten. Damit würden Kernwaffen ihren Sinn verlieren und obsolet werden. Wie immer diese Idee entstanden ist: Viele unabhängige Wissenschaftler hielten sie von Anfang an für eine Illusion. In der Tat ist es bisher nicht gelungen, Systeme zu entwickeln, mit denen man das Territorium eines großen Staates zuverlässig gegen Raketen schützen könnte. Bisher sind nur Systeme mit begrenzter Wirkung geplant. Die wirtschaftlichen Interessen der beteiligten Unternehmen bilden eine starke Triebkraft hinter diesem Projekt. Es zeigt sich aber bereits, dass in einer auf Abschreckung gerichteten Strategie Abwehrwaffen bei der Gegenseite eine Verbesserung und Vermehrung der Angriffswaffen auslösen. Gerade um dieses Dilemma zu vermeiden, hatten USA und Sowjetunion 1972 im ABM-Vertrag eine Beschränkung der Abwehrsysteme vereinbart, den Präsident Bush aber 2002 gekündigt hat.

Der wachsende Energiebedarf und die drohende Verknappung von herkömmlichen Energiequellen führen dazu, dass mehr Länder den Bau von Atomkraftwerken erwägen, die außerdem zur Verminderung der CO2-Emissionen beitragen. Aber die Mauer, die zivile und militärische Nutzung voneinander trennt, wird immer dünner. Nur die Technik der Abscheidung des Plutoniums und der Anreicherung des Urans ist noch nicht allgemein verfügbar. Man könnte die militärische Nutzung der Kernenergie auf die Dauer nur dadurch wirksam verhindern, dass man die Herstellung und Verteilung der Kernbrennstoffe internationalisiert. Das würde den Spielraum für die Nicht-Besitzer von Kernwaffen weiter einengen. Es ist sehr fraglich, ob sie dazu bereit wären. Vielen von ihnen scheint schon jetzt die Diskriminierung gegenüber den Kernwaffenstaaten immer weniger als hinnehmbar.

Je weiter sich die Kerntechnik ausbreitet, umso größer wird auch das Risiko, dass kleine Mengen von angereichertem Uran oder Plutonium abgezweigt werden und in die Hände von Terroristen geraten. Zur Herstellung einer „schmutzigen Bombe“ braucht man nicht viel davon. Für ihren Einsatz gibt es viele Möglichkeiten. Sie müssen ja nicht genau gezielt werden. Ein Lastwagen oder ein See-Container genügen, um sie an Orte zu bringen, wo sie viele Menschen töten und großen Schaden anrichten können.

Am Wendepunkt

Angesichts der neuen Gefahren muss man sich nun zwischen zwei Wegen entscheiden:
- Man kann versuchen, an dem gegenwärtigen Regime der Nichtverbreitung festzuhalten und Kernwaffen weiterhin als Instrumente der Abschreckung zu benützen
- Oder man kann eine neue Richtung einschlagen mit dem Ziel, alle Kernwaffen abzuschaffen.

Die Risiken des ersten Weges, der im wesentlichen eine Fortsetzung des bisherigen Kurses ist, sind schon beschrieben worden. Die Erosion des Nichtverbreitungs-Vertrages hat bereits begonnen. Daraus könnte sich eine Kettenreaktion entwickeln, die in Regionen wie Nah- und Mittelost, Süd- und Ostasien zu gefährlichen Situationen führen könnte. Entwicklung und Aufbau von Systemen zur Abwehr von Raketen mit Kernsprengköpfen erfordern einen ungeheuren Aufwand, ihre Wirkung wird immer unsicher bleiben. Gegen „schmutzige Bomben“ in den Händen von Terroristen werden sie ohnehin wirkungslos sein.

Ist die Abschaffung der Nuklearwaffen eine Utopie, ein schöner Traum?
Stellen wir uns eine Gruppe vor, die in einem kleinen Boot sitzend durch die starke Strömung auf einen Wasserfall zugetrieben wird. Wird sie darüber diskutieren, wie groß die Gefahr ist, im Wasserfall umzukommen und wie groß die Chance, sich ans Ufer zu retten? Oder wird sie alle Kräfte einsetzen, um zu versuchen, das rettende Ufer zu erreichen?

Nun haben sich vier Amerikaner für diesen Weg ausgesprochen, die man kaum als Träumer bezeichnen kann: Henry A. Kissinger, früherer Sicherheitsberater und Außenminister, George P. Shultz, früherer Außenminister, William J. Perry, früherer Verteidigungsminister, Sam Nunn, früherer Senator und Vorsitzender des Unterausschusses für die Streitkräfte. Präsident Obama hat sich ebenfalls dazu bekannt

Würde das Ziel der Abschaffung aller Kernwaffen von allen Staaten anerkannt, die sie besitzen, und würden die ersten Schritte getan, die zu diesem Ziel führen, so würde sich die Lage von Grund auf ändern. Das Ende der Privilegierung der Kernwaffenstaaten käme in Sicht. Das Nichtverbreitungs-Regime könnte die Unterstützung zurückgewinnen, die es verloren hat. Strengere Kontrollen würden hinnehmbar, weil sich künftig auch Kernwaffenstaaten solchen Kontrollen zu unterziehen hätten ,um zu verhindern, dass einer von ihnen doch versucht, Kernwaffen zu verbergen oder neue zu bauen.

Aber werden sich die Kernwaffenstaaten auf die Abschaffung einigen? Man darf erwarten, dass die USA unter dem Präsidenten Obama vorangehen werden. Können die anderen Kernwaffenstaaten eine solche Initiative ablehnen? Sie würden sich damit gegenüber der Mehrheit der Staaten, die keine Kernwaffen besitzen, bloßstellen und ihrer Verpflichtung aus dem Nichtverbreitungsvertrag nicht gerecht werden. Sie werden freilich versuchen, Bedingungen zu stellen, die ihre Interessen wahren.
Die Verhandlungen werden kompliziert werden. Man darf sie nicht den Experten überlassen. Die Parlamente und die Bürgergesellschaft werden sich engagieren müssen. Die ersten Schritte sollten ohne Verzug unternommen werden:
- Die USA sollten das umfassende Testverbot ratifizieren, das für die anderen Kernwaffenstaaten schon in Kraft ist.
- Alle Kernwaffenstaaten sollten sich verpflichten, ihre Kernwaffen nicht als Erste und nicht gegen solche Staaten einsetzen, die keine Kernwaffen haben.
- USA und Russland sollten sich verpflichten, unverzüglich mit Verhandlungen über weitere drastische Reduzierungen ihrer Kernwaffen innerhalb einer bestimmten Frist zu verhandeln. Sie sollten auch verhindern, dass die Entwicklung von Offensiv- und Defensivwaffen zu einer neuen Rüstungsspirale führen.
- Alle anderen Kernwaffenstaaten sollten sich verpflichten, die Zahl ihrer Kernwaffen zunächst jedenfalls nicht zu erhöhen.

Mit all diesen Schritten wäre keine Verminderung der Sicherheit für die betroffenen Staaten verbunden. Sie würden Zeit schaffen für Überlegungen über weitere Schritte.

Was geht das uns an? Deutschland hat doch keine Kernwaffen!
Aber auch wir leben unter den Gefahren, die von diesen Waffen ausgehen. Wir gehören zu den Staaten, die durch den Nichtverbreitungs-Vertrag auf Kernwaffen verzichtet haben. Wir haben immer auf Verhandlungen zur Verminderung von Kernwaffen gedrängt, besonders als es um Mittelstreckenwaffen ging, die auch bei uns stationiert werden sollten. Es ist damals gelungen, sich auf ihre Abschaffung zu einigen. Wenn nun die USA, unser wichtigster Verbündeter, ihre Politik auf die Abschaffung aller Kernwaffen ausrichten, sollten wir sie dabei unterstützen und gerade in Europa dafür werben. Dies ist nicht nur eine Sache der Regierungen, sondern auch der Bürgergesellschaft.

Wer diese große Idee unterstützen will, kann sich der Initiative Global Zero anschließen, in dem er oder sie auf der website www.globalzero.org unterschreibt.

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